Aber seitdem der Allgäuer Urahn, der selige Danuvius Guggenmosi, sich aufgemacht hat aufrecht in die Menschheitsgeschichte zu marschieren ist viel Wasser die Iller hintergeflossen und die Assimilation durch Fremde, insbesondere von jenseits des Lechs, ist unüberseh- und hörbar. Urallgäuer in dieser Brandung sind zunehmend seltener aufzufinden.

Corona: Ich sehe auch die ganze unerfreuliche Problematik welche uns dieser Virus aufbürdet, aber ich habe auch bemerkt das gerade das erzwungene Herunterfahren den Blick auf das Wesentliche, frei von „terrouristischen“ Überlagerungen, frei gemacht hat. Oder mit anderen Worten: Der Allgäuer kann nackt betrachtet werden.

Der geneigte Leser bemerkt sicherlich die Skepsis in meinen Worten und ich möchte diese mit Beispielen unterlegen. Zuerst mal, woran bemerke ich bei mir das AllgäuGen. Mit 73 Jahren hat man ein bisschen Erfahrung gesammelt und so kann ich die Symptome und Nebenwirkungen mittlerweile beschreiben.
Eigenartig! Sobald ich Freizeit habe gehen bei mir Blick und Gedanken das Illertal hinunter und ich favorisiere das Allgäu. Gut, ich bin das schloss neuschwanstein aufgewachsen und meine verwandtschaftlichen Beziehungen sind auch großteils in dieser Ecke. Trotzdem wäre für mich die Schwäbische Alb eine attraktive, sogar näherliegende Alternative. Zu behaupten, dass es dort „keine schönen Ecken“ gibt wäre gelogen. Fahre ich auf die Alb, dann immer mit einem definierten Ziel. Ich fahre so gut wie nie nur „ins Blaue“. Warum? Keine Ahnung.

Ins Allgäu hingegen da fahre ich meist ziellos. Stelle irgendwo mein Auto ab und laufe einfach los. Ich brauche nicht ein spektakuläres Anlaufziel. Es muss nur irgendwann auch mal nach Oben gehen. Der Horizont gehört irgendwie zu diesem Spiel. Tausendmal schon gesehen und immer wieder faszinierend und das Kuhglockengeläut welches die Stimmung unterstreicht, nimmt man erst wahr wenn man es nicht mehr hört. Irgendwie ist dieses Wahrnehmenkönnen eine Basis des AllgäuGens.

Der Allgäuer gehört bekanntlich dem Stamme der Schwaben an und nach meiner Wahrnehmung gibt Er sich als der Hardcore unter seinen Stammesbrüdern. Aber schon bei der Abfragung des Begriffs „Allgäu“ sieht es bei ihm mau aus. Das was vormals als Allgäu definiert wurde, wird bis in die Gegenwart durch kommerzielle Interessen gewandelt, ohne das sich ein erkennbarer Protest erhebt. Franz-Ludwig Baumann, Alfred Weitnauer und insbesondere die vielschichtige Person Dr. Otto Merkt sind noch im Gedächtnis von Opa und Oma noch abrufbar als die großen Kämpfer und Gestalter für das Allgäu zu verorten. Dieses Grundwissen sollte eigentlich zum 1×1 jedes Allgäuers gehören. Ohne die kraftvolle Vorarbeit dieser Herren wäre die Provenienz des Allgäus unvorstellbar.

Bayuwarisierung des Allgäus
Natürlich gibt und gab es auch in neuerer Zeit Leute denen man das Prädikat „Allgäuer“ auf die Brust schreiben könnte und es lohnt sich gelegentlich in der „Allgäu Heimat Akademie“ zu blättern. Hinzuzurechnen sind auch der Füssener Magnus Peresson, der Kräuterpapst Pius Lotter und Emeritus Prof. Manfred Renn als Kämpfer für die Allgäuer Dialekte. Er beklagte früh schon, noch an der Uni Augsburg, die Bayuwarisierung schwäbischer Speisekarten und sprach diesen seelenvollen Satz: „Nur der Memminger Dialekt stemmt sich wie ein Bollwerk gegen das Bayerische das über den Lech brandet“.

Dieses Wörtchen „nur“ aus studiertem Munde besagt wohl alles. Wir in Bayerisch Schwaben haben uns kampflos, im Gegensatz zu den Franken, unser Wappen nehmen lassen und dem Allgäu wurde ein nichtssagender in blau gewürfelter Namenszug „Allgäu®“ aufgedrückt, den zu verwenden auch noch bezahlt werden muss.

Eine Bayuwarisierung Schwabens und des Allgäus ist offensichtlich und schreitet massiv voran. Was hier im Juli 2020 als bundesweites Leuchturmprojekt in den Allgäuer Zeitungen verbreitet wurde, müsste eigentlich jedem Allgäuer die Zehennägel hochbiegen. Hier geht es darum, mit Hilfe einer „Kultur-Kreativ-Denkwerkstatt“ das Wissen um die
Allgäuer Kultur, ihre Traditionen und ihr Brauchtum zu bewahren, weiterzugeben und in der Bevölkerung zu verankern und soll Vorbildcharakter haben.